Sich Erinnern, Sich Begegnen

Gedenkstätte Roter Ochse, 15. März 2015

Dieses Gebäude hat eine doppelte Vergangenheit, die zunächst mit der Nazizeit und dann mit der DDR verbunden ist.

Ein Teil des Gefängnisses wird heute noch genutzt. Es ist die zweitgrößte Justizvollzugsanstalt Sachsen-Anhalts mit derzeit 300 Insassen.

Die Gedenkstätte befindet sich in nur einem Gebäude. Sie wird vom Justizministerium des Landes unterstützt.

Gründung

Das Gefängnis wurde 1842 eröffnet und sechs Jahre später erweitert. Es bestand aus Einzelzellen, was in der damaligen Zeit eine Neuheit war. Es befand sich ursprünglich außerhalb der Stadt. Damals war dort Platz für bis zu 450 Häftlinge, und es gab auch einen Friedhof.

Schinkel, der Leiter der Oberbaudeputation wurde, war der berühmteste deutsche Architekt des 19. Jahrhunderts.

Schon ab dem 19. Jahrhundert gab es hier viele politische Gefangene.

Die Nazizeit: 1933-1945

Ab 1933 wird der Rote Ochse ein NS-Gefängnis für Männer, und die Anzahl der Insassen steigt von 500 auf mehr als 2000. Eigentlich erfüllt es die Funktion des Lagers Prettin vor dessen Eröffnung.

Später wird er eine Strafanstalt, wo die Insassen ihre Haft in Einzelzellen und in den ersten sechs Monaten ohne jeglichen Kontakt zur Außenwelt verbringen. Danach gibt es hier hauptsächlich politische Häftlinge, darunter viele Ausländer (Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene usw.). Insgesamt zählt man 26 Nationalitäten, darunter 201 Franzosen. Diese sind die Einzigen, deren Geschichte vollständig rekonstruiert werden kann. Auch einige Frauen waren hier inhaftiert.

Auf dem Gelände befanden sich drei getrennte Freistundenhöfe. Der Hinrichtungsraum war im Erdgeschoss und wurde in den 50er Jahren in eine Wäscherei umgebaut. 1942 wurde eine Guillotine errichtet, später wurden die Verurteilten erhängt, wodurch ein Erstickungstod innerhalb von ca. 15 Minuten herbeiführt wurde. Insgesamt wurden hier 549 Hinrichtungen durchgeführt, darunter von 275 Soldaten der Wehrmacht. Die letzte Hinrichtung wurde am 10. April 1945 vollstreckt. Die Hingerichteten wurden auf dem Gelände des Gefängnisses begraben.

Uns wird das Beispiel die Familie Scemla erläutert: ein Vater und seine beiden Söhne. Sie waren Juden aus Tunesien und wurden bei einem Fluchtversuch festgenommen. Alle drei wurden hingerichtet. Die Leiche von Gilbert Scemla wurde dem Institut für Medizin übergeben, während Jean und Josef begraben wurden.

1945 wurden die Häftlinge durch amerikanische Truppen befreit. Einige waren Juden.

Das Gefängnis blieb 10 Wochen bis zur Ankunft der Russen unter amerikanischer Kontrolle.

Dem Gefängnispersonal wurde dann von einem sowjetischen Militärgericht der Prozess gemacht. Einige wurden hingerichtet, andere verhungerten während der Haft.

Es gibt nur ein einziges Foto der Haftanstalt aus der Nazizeit. Außerdem gibt es ein Foto von einem Zigeunerkind aus Halle, das 1944 zwangssterilisiert wurde, aber überlebte.

In der DDR: 1950-1990

1950 wurde die Stasi gegründet. Sie umfasst 20 Abteilungen, darunter eine für den Schutz vor Terrorismus.

Nach der Teilung des Gebäudes wurde es insbesondere das zweitgrößte Frauengefängnis der DDR. Die Stasi besaß insgesamt 15 Haftanstalten in der DDR und von der Anzahl der Insassen her, war dieses Gefängnis das zweitgrößte.

Zur Zeit der Nutzung durch die Stasi war es ein Gefängnis für Schwerverbrecher. Es fanden ca. 1000 Verfahren statt, darunter nur 15 % wegen Kriegsverbrechen. Die anderen Verurteilten waren Regimegegner. Es gibt Listen mit Informationen zu den Gefangenen. Anfangs waren viele junge Menschen unter den Häftlingen, die zur Hitlerjugend gehört hatten. Das russische Strafrecht wurde in allen Sowjetrepubliken angewendet, und man galt man schon ab dem Alter von 12 Jahren als strafmündig. Häftlinge und Verurteilte lebten zusammen. Die Insassen waren zu zweit in komplett abgeschlossene Zellen eingesperrt, wodurch sie jede Orientierung verlieren sollten. Die Vernehmungen fanden nachts statt. Die Zellen wurden bis 1989 genutzt, wie man es auf bestimmten Fotos sehen kann.

Am 17. Juni 1953 fand ein Aufstand von Arbeitern statt, die versuchten, die Insassen zu befreien.

Ab 1971 wurden unter Erich Honecker dort vor allem Personen inhaftiert, die versucht hatten, aus der DDR zu fliehen.

In den 80er Jahren versuchten die Regimegegner das politische System von innen zu verändern. Sie demonstrierten ihre Forderung nach Meinungsfreiheit.

Ab den 1960er Jahren begann die BRD damit Häftlinge freizukaufen. Der letzte Transport dieser Art wurde am Heiligabend 1989 durchgeführt.

Von 1952 bis 1989 gab es ca. 10 000 Insassen, darunter 8100 Männer und 1600 Frauen. Die Haft dauerte durchschnittlich etwa 6 Monate. Dann erfolgte die Verurteilung und anschließend wurden die Häftlinge in andere Haftanstalten überstellt.

1990 gab die Stasi das Gebäude auf, und 1995 wurde dort eine Gedenkstätte eingerichtet.

Bis 1995 konnte man Informationen zu dem Gefängnis in den russischen Archiven finden, die jedoch heute nur noch schwer zugänglich sind.